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Future Made in Germany ‒ der Zukunftswert deutscher Marken: Katrin Menne

Vorstellung von Katrin Menne:

Katrin Menne ist Head of Brand and Content Marketing bei Merck und bringt langjährige Erfahrung in der Marketing- und Kommunikationsbranche mit. In ihren bisherigen Führungsrollen als Markenverantwortliche bei der Commerzbank und bei Merck prägte sie die Markenstrategien und -veränderungen entscheidend mit. Dabei hat sie immer wieder strategische Impulse gesetzt, die weit über das klassische Markenverständnis hinausgehen.

Das Interview mit Katrin Menne

Einleitung: Die Welt verändert sich rasant und mit ihr die Zukunft der Marken. Wer in dieser neuen Ära relevant bleiben will, muss mehr tun, als nur mitzuhalten. Die Frage ist: Wie gestalten Unternehmen den Wandel und verbinden Verantwortung mit nachhaltigem Erfolg? 

Anlässlich unseres 25-jährigen Jubiläums möchten wir im Rahmen unserer Interviewreihe „25 Jahre – 25 Stimmen“ genau diesen Fragen nachgehen. Mit führenden Persönlichkeiten aus der Wirtschaft sprechen wir zum Thema „Future Made in Germany – der Zukunftswert deutscher Marken“.  

Im Gespräch mit unserem CEO Dr. Christian von Thaden erklärt Katrin Menne, Head of Brand and Content Marketing bei Merck, warum Markenführung heute mehr bedeutet als konsistente Kommunikation – nämlich mutige Entscheidungen, ein gemeinsames Narrativ und die Fähigkeit, Wandel aktiv zu gestalten. Dabei geht es auch darum, das Markenerlebnis konsequent weiterzudenken und umzusetzen – über das reine Produktangebot hinaus und über alle Touchpoints hinweg. 

Lesen Sie nachfolgend das vollständige Interview mit Katrin Menne: 

„Made in Germany“ – ein Gütesiegel, das viele Unternehmen bis heute für ihre Positionierung nutzen. Angesichts der anhaltenden wirtschaftlichen Herausforderungen – mittlerweile sind wir fast vier Jahre in der Rezession – stellt sich die Frage, wie stark deutsche Unternehmen und ihre Marken eigentlich noch sind. Wie schätzt du den heutigen Wert von „Made in Germany“ ein? Hat das Siegel noch Strahlkraft? 

Katrin Menne: Aus meiner Sicht hat „Made in Germany“ nach wie vor einen Wert. Deutschland steht noch immer für Innovationskraft, Technologie, Qualität und Premium. Diese Wahrnehmung ist noch da, aber andere Länder – etwa China – haben stark aufgeholt und liefern inzwischen ebenfalls ausreichend gute Qualität. Um langfristig relevant zu bleiben, reicht es nicht aus, nur auf Bestehendem aufzubauen. Deutschland muss in Zukunft noch eine Schippe drauflegen und sollte sich weiterhin als Problemlöser positionieren, große Herausforderungen aktiv angehen, Nachhaltigkeit vorantreiben und bei der Digitalisierung nicht hinterherlaufen, sondern mitgestalten. Solche Themen sind entscheidend, um zukunftsfähig aufgestellt zu sein. 

Wenn Deutschland eine Marke wäre – wie würdest du sie mit Blick auf die Zukunft beschreiben? 

Katrin Menne: Aus meiner Sicht bilden deutsche Tugenden wie Verlässlichkeit, Pünktlichkeit und Detailverliebtheit einen stabilen Kern. Das ist grundsätzlich nicht schlecht, aber in Zeiten großer Umbrüche reicht es allein nicht mehr aus. Um relevant zu bleiben, müssen Digitalisierung, Technologie und Innovation deutlich stärker in den Fokus rücken. Im Moment positionieren sich ganze Staaten neu – allen voran natürlich die USA. Und wo Bewegung ist, entstehen auch Chancen für andere. Ein gutes Beispiel ist die neue EU-Kampagne „Choose Europe for Science“, mit der sich die EU klar für unabhängige Forschung und demokratische Werte positioniert – ein Auftritt, der so vor einem Jahr noch nicht möglich gewesen wäre. In der neuen geopolitischen Welt ist es offensichtlich, dass einzelne Länder in Europa zu klein sind, um allein zu bestehen. Es braucht einen gemeinsamen Auftritt und ein klares Bekenntnis zu gemeinsamen Werten, um in der Welt von morgen bestehen zu können. 

Was ich spannend finde, ist, dass im Ausland überraschend viele Menschen eine klare Meinung zu Deutschland haben. Was glaubst du, worauf diese Wahrnehmung beruht? Liegt es an der Politik, an der Wirtschaft, an den Unternehmen – oder vielleicht am Ende sogar am Sport? 

Katrin Menne: Wie bei jeder Marke kommt es am Ende auf die Gesamtheit der Erfahrungen an. Die Politik spielt dabei eine wichtige Rolle, denn sie setzt Rahmenbedingungen und kann zentrale Botschaften senden. Aber auch Unternehmen und Marken prägen das Bild. Den Claim von Audi, „Vorsprung durch Technik“, kann beispielsweise überall auf der Welt jemand in radebrechendem Deutsch aufsagen. Auch der Sport spielt eine Rolle. Aktuell ist es vor allem der Fußball – mit Teamgeist, Leidenschaft, Ehrgeiz und Leistungsfähigkeit im spielerischen Wettbewerb. Früher war es Tennis mit Boris Becker und Steffi Graf. Am Ende ist es die Summe der Erfahrungen, die das Bild Deutschlands prägt – all das trägt zur Positionierung bei und kommuniziert Werte nach außen. 

Mir fällt immer wieder auf, dass andere Länder oft viel großzügiger mit uns sind als wir selbst. Hast du auch den Eindruck, dass Deutschland im Ausland positiver wahrgenommen wird als wir es selbst tun? 

Katrin Menne: Ja, absolut. Im Inland richtet sich der Blick oft stark auf Schwächen: Bürokratie, fehlende Agilität oder die Digitalisierung, die noch nicht überall ideal läuft. Grundsätzlich ist daran nichts falsch, solange man nicht dabei stehen bleibt. Schwächen zu erkennen ist der erste Schritt, um sie anzugehen. Aber ja, ich sehe es genauso – wir Deutschen neigen nun mal ein bisschen zum Nörgeln, und das zeigt sich auch hier sehr deutlich.  

Findest du diese Selbstkritik sympathisch und bescheiden oder eher ungeschickt im internationalen Vergleich? 

Katrin Menne: Diese Bescheidenheit ist, so mein Eindruck, auch historisch gewachsen. Mit Nationalstolz tue ich mich persönlich eher schwer, denn niemand kann etwas dafür, wo er oder sie geboren wurde. Aber man kann selbstbewusst auftreten, ohne sich über andere zu stellen. Wichtig ist nur, dass es glaubhaft bleibt. Am Ende zählen die realen Erfahrungen und die werden vor allem durch Unternehmen, ihre Produkte, Marken, Services und ihren Auftritt geprägt. 

In der aktuellen Kommunikation spielt es kaum eine Rolle, dass Deutschland die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt ist. Vor fünf Jahren hätten wir das noch gefeiert – heute wirkt es eher so, als würden wir uns damit trösten, dass es anderen noch schlechter geht. Wie siehst du das? 

Katrin Menne: Ja, ich habe den Eindruck, dass wir sehr mit unseren eigenen Herausforderungen beschäftigt sind – oft wie das Kaninchen vor der Schlange, wenn es um die großen globalen Themen geht. Was Deutschland guttun würde, ist vielleicht ein bisschen mehr Stolz und vor allem Mut, diese Herausforderungen aktiv anzugehen. Denn sich auf den Rücken zu legen und mit den Beinen zu strampeln, hat noch niemandem geholfen. 

Zweckoptimismus ist etwas, das wir sicher beide in unserer Managementausbildung gelernt haben: Man muss stets nach vorne denken. Daher die direkte Frage: Siehst du Deutschland in einer Abwärtsspirale? Momentan wirkt es oft so, als würden wir alles negativ sehen, wodurch sich die Situation tatsächlich verschlechtert. Ein Kreislauf nach unten, oder wie siehst du das? 

Katrin Menne: Die letzten fünf Jahre waren zweifellos herausfordernd, aber nicht nur für uns. Wenn man sich die Indikatoren anschaut, wird es wohl auch nicht einfacher. Ob man es Zweckoptimismus nennt oder nicht, es gibt keine Alternative dazu, Herausforderungen konstruktiv anzugehen und das Beste daraus zu machen. Ein Denken in Abwärtsspiralen bringt uns nicht weiter – gefragt ist ein frischer, positiver Blick. Das ist auch eine Frage von Führung, sowohl politisch als auch gesellschaftlich – und da braucht es mehr Schub. 

Wenn du an deutsche Marken denkst, gibt es eine, die Deutschland für dich besonders gut verkörpert? Eine Marke, bei der du sofort denkst: „Das ist für mich ganz klar Deutschland“? 

Katrin Menne: Mir fällt als Erstes tatsächlich Bosch ein. Für mich ist das eine urdeutsche Marke, die für Ingenieurskunst, Innovation und klare Werte steht. Mit der Kampagne „Like a Bosch“ ist es dem Unternehmen gelungen, diesen Hintergrund international sehr zeitgemäß, modern und emotional zu kommunizieren. 

Mit Blick in die Zukunft: Glaubst du, dass die deutsche Herkunft für eine Marke wie Bosch an Bedeutung gewinnt oder eher an Relevanz verliert? 

Katrin Menne: Aktuell beobachten wir weltweit eine Tendenz zu mehr Protektionismus und nationaler Fokussierung – eine langfristige Prognose abzugeben ist in dieser Situation schwierig. Ich denke aber, dass die deutsche Herkunft weiterhin relevant bleiben wird. Studien von Unternehmen wie STURMundDRANG oder Statista zeigen, dass dieser „Länder-Claim“ international hohes Ansehen genießt und die Kaufbereitschaft stärkt. Man sollte ihn also nicht unterschätzen, aber er muss eben auch zukunftsfähig aufgeladen werden. 

Gibt es neben Bosch eine Marke, die sich in letzter Zeit besonders positiv entwickelt hat? Einen echten Veränderungschampion, bei dem du sagst: „Das hätte ich nicht unbedingt erwartet, aber das haben die richtig gut gemacht”? 

Katrin Menne: Wenn man den Zeitraum der letzten zehn Jahre betrachtet, hat die Telekom aus meiner Sicht einen richtig starken Job gemacht. Aus einer eher langweiligen Marke wurde eine echte Top-Marke. Ich glaube, dafür hat die Telekom intern deutlich mehr an der Kultur gearbeitet, als man von außen sieht. Außerdem hat sie einen hohen Anspruch, eine klare Ausrichtung und eine starke, konsistente Führung. Was die Markenarbeit betrifft – Kudos an Uli an der Stelle – wurden tolle, emotionalisierende Kampagnen mit echtem Purpose entwickelt, die immer zur Marke und zum Angebot gepasst haben. Die Aufladung hat unheimlich gut funktioniert und auch das Markenerlebnis über alle Touchpoints hinweg wurde konsequent über das reine Produktangebot hinausgedacht und umgesetzt. Zudem waren es teils sehr mutige Kampagnen, die über einen langen Zeitraum durchgezogen wurden. Das schafft nicht jeder. 

Jetzt kommen wir zu einer echten Super-Marke – zumindest für mich persönlich: Merck. Das ist für mich Deutschland pur: Enorme Substanz und Hightech vom Feinsten. Mehr Hightech geht doch eigentlich kaum, oder? 

Katrin Menne: Genau, Merck ist ein Wissenschafts- und Technologieunternehmen mit drei sehr unterschiedlichen Geschäftsbereichen: Life Science, Healthcare und Electronics. Im Pharmabereich geht es um Medikamente, im Life-Science-Bereich um alles, was für die naturwissenschaftliche Forschung benötigt wird und im Bereich Electronics liefern wir Materialien, die in 99 % aller Geräte stecken – von der Smartwatch bis zum Supercomputer. 

Welche Herausforderung ergibt sich in diesem Kontext für die Markenführung? Ist es die Aufgabe einer Marke, den kleinsten gemeinsamen Nenner der drei Bereiche abzubilden oder sollte sie vielmehr die größtmögliche Differenzierung ermöglichen? 

Katrin Menne: Eine große Herausforderung für uns ist die internationale Aufstellung: Unsere stärksten Märkte sind heute nicht mehr Deutschland oder Europa, sondern vor allem die USA und Asien. Das erfordert eine sehr globale Kommunikation. Gleichzeitig sind die drei Geschäftsbereiche sehr unterschiedlich. Auf Gruppenebene ist es meine Aufgabe, dieses Dach zu bauen und übergreifend zu kommunizieren. Mein Team und ich suchen nach dem, was uns bei Merck mit seinen knapp 64.000 Mitarbeitenden wirklich verbindet. Unser Ziel ist es, über die vorhandene Komplexität hinweg ein einfaches, gemeinsames Narrativ zu schaffen, mit dem sich alle identifizieren können. Darauf aufbauend lassen sich dann ganz unterschiedliche Geschichten erzählen. 

Als ich mich aus beruflichen Gründen das erste Mal mit Merck beschäftigt habe, fand ich den Auftritt sehr mutig: Er fällt auf und ist etwas Besonderes, oder?  

Katrin Menne: Ja, genau – das war auch das Ziel und es freut mich, wenn wir das erreicht haben. Ich bin damals genau für dieses Projekt zu Merck gekommen und durfte es als leitende Projektmanagerin steuern. Merck hatte sich in den zehn Jahren vor dem Rebranding im Jahr 2015 schon stark verändert: vom klassischen Pharma-und Chemieunternehmen hin zu einem globalen, diversifizierten Player mit neuer Leadership-Kultur. Der damalige Markenauftritt spiegelte das jedoch nicht wider, da er stark branchenkonform war. Unser Ziel war es damals, eine „Category of One“ zu schaffen. Wir wussten, dass Merck in seiner Aufstellung einzigartig ist, und wollten das auch mutig nach außen tragen. Vielfalt, Technologieorientierung und Wissenschaft sollten sichtbar werden. Die zentrale Frage „Was verbindet uns alle?“ war damals ebenfalls Teil des Projekts. Die Antwort war, dass die Forschung und der forschende Blick alle Geschäftsbereiche verbinden – daraus entstand ein Markenauftritt, der vom Blick durchs Mikroskop inspiriert ist. Die dabei entstehenden wissenschaftlichen Bilder lassen sich einfärben – genau das haben wir in einen grafischen Markenauftritt übersetzt. 

Was viele Marketingverantwortliche sicher interessiert: Wie lässt sich eine so mutige Idee intern verkaufen? 

Katrin Menne: Ich bin mir gar nicht sicher, ob man so eine Idee wirklich verkaufen kann, wenn die Offenheit dafür nicht bereits vorhanden ist. Wir hatten das große Glück, dass der damalige Vorstand Karl-Ludwig Kley die Bedeutung von Marke erkannt hatte und uns aktiv gefordert hat: „Seid mutig, fordert mich heraus, überrascht mich.“ Das kennt man als Beratung natürlich nur zu gut: Die Kund:innen sagen, sie wollen Mut, schrecken dann aber doch zurück. Aber wir haben damals bewusst hoch gezielt, um mittig zu treffen – und am Ende wurden rund 95 % des ursprünglichen Entwurfs tatsächlich umgesetzt. Je älter ich werde, desto mehr glaube ich, dass so etwas oft von den richtigen Konstellationen abhängt – davon, welche Menschen zusammenkommen, ob eine gemeinsame Dynamik entsteht und dadurch Dinge überhaupt erst möglich werden. 

Zum Abschluss: Welche zwei Botschaften würdest du deutschen Marketingverantwortlichen mit auf den Weg geben? 

Katrin Menne: Ich glaube, was wir alle brauchen, ist mehr Mut und wieder mehr kreative Markenkommunikation, die Spaß macht. Nicht nur uns, sondern vor allem den Menschen, für die sie gedacht ist.  

Dr. Christian von Thaden
Dr. Christian von Thaden
Managing Partner & CEO
+49-173-4512478
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