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Der schwierige Weg zu Functions on Demand (FoD) für die Automobilindustrie

Kundenerwartungen ändern sich in der heutigen Zeit rasant und setzen Unternehmen sowie OEMs unter Druck. Für OEMs ist es damit zentral, ihr Produktportfolio den sich regelmäßig ändernden Kundenwünschen anzupassen und die damit einhergehenden Chancen zu nutzen. Eine zentrale Wachstumsperspektive, die OEMs in diesem Bereich für sich identifiziert haben, sind „Functions on Demand“ (FoD). Diese versetzen Automobilkund:innen in die Lage, individualisierte Dienste „over-the-air“ je nach Bedarf und Umfang digital hinzuzubuchen sowie mit Upgrades ihr Fahrzeug leistungsfähiger zu machen. Das traditionelle Geschäftsmodell der Automobilhersteller wird somit langfristig erweitert und verändert sich dadurch kontinuierlich.  

Eine exklusive Studie von Batten & Company in Kooperation mit Trend Research zeigt, dass sich knapp 70 Prozent der Autokäufer für FoD interessieren, bzw. sich vorstellen könnten diese zu nutzen. Dabei haben jedoch lediglich sieben Prozent bereits FoD für ihr Fahrzeug gebucht – damit besteht noch viel ungenutztes Potenzial für Automobilhersteller, welches es zu heben gilt. Langfristiges Ziel auf Seiten der etablierten OEMs ist es, sich im Markt neu zu positionieren und die technischen Grundlagen zu schaffen, um mit Innovatoren wie Tesla Schritt zu halten. Elektromobilität und FoD verändern zudem das klassische Aftersales-Geschäft grundlegend. Während Umsätze im klassischen Service-Netz in Zukunft wahrscheinlich eher zurückgehen, tut sich hier ein neues Umsatzpotenzial auf, basierend auf neuen Geschäftsmodellen.

Doch welche Funktionen und Services würden Kund:innen nachträglich buchen? Und was bedeutet das für die zukünftige Strategie der Automobilhersteller, um FoD langfristig erfolgreich umzusetzen?

Sollten Sie einen weiteren Austausch oder Rat wünschen, freuen sich die Expert:innen unserer Marketingberatung auf Ihre Nachricht.

Einleitung

Kundenerwartungen ändern sich in der heutigen Zeit rasant und setzen Unternehmen sowie OEMs unter Druck. Für OEMs ist es damit zentral, ihr Produktportfolio den sich regelmäßig ändernden Kundenwünschen anzupassen und die damit einhergehenden Chancen zu nutzen. Eine zentrale Wachstumsperspektive, die OEMs in diesem Bereich für sich identifiziert haben, sind „Functions on Demand“ (FoD). In vielen Branchen hat sich „on-Demand“ bereits etabliert. FoD versetzen Automobilkund:innen in die Lage, individualisierte Dienste „over-the-air“ je nach Bedarf und Umfang digital hinzuzubuchen sowie mit Upgrades ihr Fahrzeug leistungsfähiger zu machen. Das traditionelle Geschäftsmodell der Automobilhersteller wird somit langfristig erweitert und verändert sich dadurch kontinuierlich.

Konfigurierten die Kund:innen früher ihre Neuwagen noch im Rahmen einer geschlossenen Produktpalette und konnten nach Auslieferung lediglich neue Reifen, Felgen oder Add-ons wie Fußmatten kaufen, so sind heute weitere individuelle Konfigurationsmöglichkeiten möglich und nötig. Die Autos von heute sind rollende Mobilitätsplattformen, neben der Verbesserung von Fahrleistung und Fahrkomfort durch buchbare Zusatzfunktionen kommen weitere Optionen hinzu, wie Musikstreaming, Restaurantreservierungen oder ÖPNV Buchungen. Eigenschaften, die unsere Smartphones übernommen haben, soll das Fahrzeug von morgen anbieten – und soll damit zur Steuerzentrale unseres digitalen Lebens werden.

Möglich wird dies jedoch nur, wenn Service-Anbieter vollständigen Zugang zum Fahrzeug erhalten und dieses als entsprechende Verkaufsplattform von den OEMs zur Verfügung gestellt bekommen. Zusätzlich ist eine attraktivere Schnittstellen-Architektur und Anbindung an die Fahrzeuginfrastruktur entscheidend. Damit sind FoD nicht nur ein weiteres Add-on, welches OEMs ihren Kund:innen anbieten und durch die sie ihren Aftersales umgestalten, sondern nehmen zusehends eine wichtige Differenzierungsrolle im internationalen und harten Wettbewerb der Automobilindustrie ein.

Eine exklusive Studie von Batten & Company in Kooperation mit Trend Research zeigt, dass sich knapp 70 Prozent der Autokäufer für FoD interessieren, bzw. sich vorstellen könnten diese zu nutzen. Dabei haben jedoch lediglich sieben Prozent bereits FoD für ihr Fahrzeug gebucht – damit besteht noch viel ungenutztes Potenzial für Automobilhersteller, welches es zu heben gilt. Langfristiges Ziel auf Seiten der etablierten (deutschen) OEMs ist es, sich im Markt neu zu positionieren und die technischen Grundlagen zu schaffen, um mit Innovatoren wie Tesla Schritt zu halten. Elektromobilität und FoD verändern zudem das klassische Aftersales-Geschäft grundlegend. Waren damals und auch noch heute Werkstattaufenthalte für Service-Termine und Reparaturen unumgänglich, wird zukünftig der Großteil dieser Angelegenheiten digital und „over-the-air“ erledigt. Während Umsätze im klassischen Service-Netz in Zukunft wahrscheinlich eher zurückgehen, tut sich hier ein neues Umsatzpotenzial auf, basierend auf neuen Geschäftsmodellen.

Doch was bedeutet das genau?
Was gibt es bereits auf dem Markt?

Wie FoD die Automobilindustrie und den Automobilkauf verändern

Durch FoD wird das Auto für Kund:innen zur individuell zu konfigurierenden Mobilitätsplattform. Bereits heute nutzen 25 Prozent der befragten Automobilkäufer:innen eine App, um auf das System ihres Autos zuzugreifen. Services können bei Bedarf mit wenigen Klicks hinzugebucht und auch wieder abbestellt werden. So ist es möglich, mit zusätzlichen PS die Motorleistung für die Spritztour durch die Alpen zu erhöhen, den Staupiloten für die Fahrt durch den dichten Sommerferien-Verkehr zu buchen oder beim Elektrofahrzeug diverse Motorsounds auszuprobieren sowie flexibel buchbare Reichweitenerhöhungen in Anspruch zu nehmen.

Es zeigt sich, dass sich die Fahrzeuge durch FoD zur allumfassenden Mobilitätsplattform entwickeln. Das Auto mutiert durch die Vernetzung für diese Dienste zum Endgerät, zur E-Commerce-Plattform diverser Dienste und Infrastruktur-Basis für weitere Service-Partner. Um ihre Kund:innen zu überzeugen, müssen OEMs klare und handfeste Vorteile kommunizieren und anbieten.

Denn aktuell nutzen Kund:innen zu 30 Prozent vor allem Apple Car Play oder Android Auto, wodurch die digitale Schnittstelle zu Kund:innen am OEM vorbeigeht. Ein klarer Vorteil für die Kund:innen ist, für die Nutzung des Systems nur in dem Moment bzw. in dem Fall zu zahlen, in dem sie den Service bzw. die Leistung wirklich benötigen. Hersteller bieten verschiedene Zahlungsmodelle an. Tesla verlangt eine im Verhältnis hohen einmalige Pauschalsumme für Motor-Upgrades, während Volkswagen plant, zukünftig jedes Fahrzeug mit der Vollausstattung auszurüsten, um Kund:innen alle Funktionen per Leasing anzubieten, ohne sich an einen beim Kauf bereits an eine umfangreiche Ausstattung mit hohen Kosten zu binden. Müssten sich Automobilkund:innen derzeit für ein Zahlungsmodell zur Freischaltung von FoD entscheiden, würden sie am ehesten eine Einmalzahlung sowie die Möglichkeit von Pay-per-use, also der Zahlung eines geringen Betrages für jede neue Nutzung, favorisieren.

Unsere Umfrage zeigt zudem, dass Kund:innen den deutschen Premium-Herstellern Audi (59 Prozent), Mercedes-Benz (58 Prozent) und BMW (55 Prozent) am ehesten zutrauen würden, das Thema FoD am einfachsten umzusetzen.

Aktuelle Offerings der OEMs

Profitieren können nicht nur Kund:innen von den neuen Möglichkeiten, sondern auch die Automobilhersteller. Nicht nur durch den zusätzlichen Umsatz, den sie generieren können, sondern auch, weil die Möglichkeit besteht, neue Fahrzeugmodelle schneller auf dem Markt zu platzieren. Beispielsweise das Volkswagen Modell ID.3, dessen Marktstart auf Grund von teils umfassenden Software-Problemen um mehrere Monate hätte verschoben werden müssen. Um trotz der Probleme den Marktstart im Spätsommer 2020 nicht verschieben zu müssen, passte Volkswagen die Strategie an: „Funktionen wie die Einparkautomatik oder die kabellose SmartphoneIntegration liefern wir binnen der ersten Monate kostenlos über ein Software-Update nach“, so der ehemalige VW-Verantwortliche der E-Modelle Thomas Ulbrich.

Der führende US-Amerikanische Elektroauto-Pionier, Tesla, bietet bereits seit dem Jahr 2016 Kameras an, welche nachträglich aktiviert werden konnten, um unterschiedliche Funktionen, wie z.B. die des Autopiloten, freizuschalten. Der Preis lag bei einigen tausend Euro. Kund:innen wurden darüber an das innovative (teil-)autonome Fahren herangeführt. Auch das zusätzliche Freischalten von Reichweite ist bei Tesla bereits seit über fünf Jahren möglich. Damals bot Tesla die Sportlimousine Model S sowohl in der Basisversion als auch in einer teureren „Extended Version“ an. Einziger Differenzierungsfaktor:
Die Reichweite. Während dieselben Batterien in beiden Modellen verbaut waren. Dabei wurde bei der Basisversion S60 im Vergleich zum teureren S75-Modell die Batterie gedrosselt, wodurch nur eine geringere Reichweite möglich war. Wenn Kund:innen bei der Basisversion nun die Reichweite nachträglich erhöhen wollten, war gegen eine Nachzahlung des Differenzbetrags zwischen S60 und S75 eine Lösung der Software-Sperre möglich. Hinzu kann ein sogenannter Verspätungszuschlag von ca. 500 US-Dollar hinzu. Damit wurde den Kund:innen nachträglich ermöglicht, das bessere Modell zu erhalten, ohne den Aufwand eines Verkaufs des alten und Neukauf des neuen Modells zu betreiben. Zeitgleich profitierte Tesla von ertragreichen Aftersales-Transaktionen, die in den Folgejahren immer weiter ausgebaut wurden. Daneben kann bei Bedarf das Paket „Premium Connectivity“ nachträglich hinzugebucht werden, welches Musik sowie Serienstreaming beinhaltet oder auch der „Acceleration Boost“, welche nochmal zusätzliche Leistung verspricht. Hier liegt in gewisser Weise ein Widerspruch – bietet Tesla immer wieder neue Upgrades an, mit welchen Kund:innen ihre Bestandsfahrzeuge verbessern können, besteht die Gefahr, dass aus Sicht der Kund:innen keine Notwendigkeit für einen Neuwagen besteht und sich die Haltedauer der Fahrzeuge verlängert. Um dem gegenzusteuern wird Tesla zukünftig das bis heute noch kostenlose und grenzenlos verfügbare „Standard Connectivity“-Paket auf acht Jahre begrenzen. Nach Ablauf der Frist ist es nur noch möglich, auf die kostenpflichtige PremiumVariante zurückzugreifen. Dies gilt somit auch für zukünftige Gebrauchtwagen, die über acht Jahre im Verkehr sind und erhöht den Kaufanreiz für ein neues Fahrzeug.

Der deutsche Premiumhersteller BMW bietet dagegen u. a. einen „digitalen Nachverkauf“ einzelner Extras an. Darunter fallen bspw. der Fernlichtassistent, ein Tempomat mit Abstandsregelung, welcher im Head-Up-Display integriert werden kann oder ein deutlich sportlicherer Sound ihrer Modelle. Ziel ist es, mit Updates der jeweiligen Betriebssysteme der einzelnen Modell-Linien zusätzlich weitere Funktionen hinzuzufügen, welche auf bereits bestehende Hardware sowie Software zu- und zurückgreifen. In die breite Öffentlichkeit kam das Thema FoD durch BMW, als angekündigt wurde, die Sitzheizung bei ausgewählten Modellen serienmäßig einzubauen, aber per Abo-Modell für 17 Euro im Monat freischalten zu lassen.

Aktuell ist BMW dabei noch in der (Weiter-)Entwicklung. So ist es derzeit noch abhängig des Austattungspakets ab Werk, welche Funktionen und Services von Kund:innen nachgebucht werden können. Beispiele hierfür sind der „Driving Assistant Plus“ und neben der angesprochenen Sitz- auch die Lenkradheizung sowie das adaptive M Sport-Fahrwerk. Unabhängig der Ausstattung ab Werk sind neben des Fernlichtassistenten u.a. auch die Traffic Camera. Kritische und sicherheitsrelevante Funktionen, wie es bspw. Bremsen und Airbags sind, werden ausdrücklich von dieser Strategie ausgenommen und werden in jeglichen Modellen ab Werk eingebaut und freigeschaltet. Gekauft werden die Services und Funktionen bei BMW dagegen nicht über einen Pauschalbetrag, wie es beim US-Amerikanischen Wettbewerber nötig ist, sondern über ein Abonnement, welches nach Ablauf der vereinbarten Frist wieder storniert wird oder entsprechend jederzeit abbestellt werden kann.

Rund 80 Kilometer nördlich von München verfolgt der deutsche Wettbewerber Audi eine ähnliche Strategie. So ist es für Kund:innen möglich, für ca. zehn Euro pro Monat den Digitalradio-Empfang (DAB+) zu buchen oder über den Zeitraum von einem Jahr für 85 Euro das Smartphone-Interface freischalten zu lassen. Das Elektro-Modell e-tron Sportback bietet seit der Markteinführung diverse Begrüßungsszenarien an, die über die digitalen Matrix-Scheinwerfer ausgespielt werden. Regelmäßige Updates mit immer wieder neuen Lichtspielen, welche über die eigene „myAudi“-App gebucht werden, sind angedacht. Das LED-Matrix-Paket, welches exklusiv für die LED-Scheinwerfer konzipiert wurde, wird bspw. für ein halbes Jahr für 133 Euro angeboten. Weitere Zeiträume sind flexibel buchbar, auch ein dauerhafter Erwerb durch die Kund:innen ist eine Option.
Somit ist Audi bereits einen großen Schritt Richtung digitaler Individualisierung ihrer Produkte und Services gegangen. Zudem ist es Kund:innen möglich, im Rahmen eines Freemium-Modells neue Funktionen und Services in einer einmonatigen Testphase auszuprobieren. Während dieser Phase entscheiden sie selbst, ob sie nach Ablauf des Testmonats nach ihren ganz persönlichen Bedürfnissen verlängern wollen, oder auslaufen lassen. All das ist über die oben genannte „myAudi“-App möglich, die zur zentralen Plattform und Touchpoint für Audi-Kund:innen entwickelt wird. Digital lassen sich die für das jeweilige Modell der Kund:innen verfügbaren Audi connect-Pakete einerseits erweitern sowie andererseits auch neue Audi connect-Funktionen hinzubuchen. Die individuelle Auswahl der richtigen Laufzeit der digitalen Funktionen, Pakete und Services ist ihnen überlassen. Gezahlt wird digital über „AudiPay“, welches zusammen mit den FoD eingeführt wurde. Durch eine sichere Verbindung mit dem konzerneigenen Zahlungsdienstleister VW Payments S.A. geschützt, ist es Kund:innen nun möglich, mit der von ihnen hinterlegten Kreditkarte die digitalen Funktionen und Services für das Auto zu kaufen und zu bezahlen. Zukünftig ist es angedacht, weitere Bezahldienste zu integrieren. Darunter PayPal, Klarna oder andere lokale Bezahlfunktionen, da neben Deutschland und Norwegen auch Kund:innen in ca. 20 weiteren europäischen Märkten davon profitieren sollen, mit AudiPay digital bezahlen zu können.

Bei der Stuttgarter Konkurrenz ist die aktuelle Mercedes S-Klasse seit Herbst 2020 mit der neuesten MBUX-Generation ausgestattet. MBUX steht hierbei für die aktuellste Linguatronic-Generation und gehört zum Mercedes-eigenen Multimediasystem. Das MBUX ist vollständig mit künstlicher Intelligenz ausgestattet und lernt die individuellen Gewohnheiten der Fahrer:innen kennen und passt sich so mit der Zeit an. Die Kund:innen können sich über PIN-Eingabe, Fingerabdruck-Scanner oder Augenerkennung zweifelsfrei identifizieren, sodass aus dem Fahrzeug heraus digitale Käufe von Services und Funktionen möglich sind. Die Smartphone-Integration oder auch zusätzliche Navigationsdienste können nachträglich über das MBUX-System freigeschaltet werden. Auch Entertainment in Form von Gaming- und Sound-Paketen wird den Kund:innen angeboten. Daneben ist es möglich, online aktivierbare Extras, wie z. B. die Freischaltung von speziellen Fahrprogrammen, u. a. für Fahranfänger, oder auch Funktionserweiterungen für die Sprachsteuerung zu kaufen. Das Modell EQS verfügt serienmäßig über eine 4,5-Grad-Hinterachslenkung – Kund:innen, die einen noch geringeren Wendekreis erwarten, bekommt im Abo zusätzlich auch 5,5 Grad mehr. Funktionen wie der adaptive Fernlichtassistent und eine Einpark-Fernsteuerung per nachträglichem Download runden das aktuelle Angebot ab.

Beim Blick auf die aktuellen, eher wenig innovativen Funktionen und Services ist es durchaus bemerkenswert, wie viel Aufmerksamkeit das Thema FoD innerhalb der letzten Monate erreicht, welches zwar bereits seit Jahren präsent ist, für viele aber anscheinend nicht wirklich greifbar war. So gesehen sind FoD keine wirkliche Innovation oder gar Revolution – und dennoch erreichte es erst der Premiumhersteller BMW mit einer so trivialen Zusatzausstattung wie der Sitzheizung, das Thema in die breite Öffentlichkeit zu tragen. Wenn man Autokäufer fragt welche Funktionen sie nachträglich hinzubuchen würden, zeigt sich ein interessantes Bild. Verhältnismäßige neue Funktionen würden die Autokäufer:innen wahrscheinlich bzw. sehr wahrscheinlich hinzubuchen, wie z. B. den Stau-Piloten (66,9 Prozent), den Abstandshalter (60,7 Prozent) sowie den Einpark-Piloten (58,6 Prozent) bzw. Spurhalte-Assistenten (57,5 Prozent).

Auch das Thema der vergrößerten Reichweite ist ein potenzielles FoD-Thema: Über 60 Prozent der Autokäufer:innen würden Geld bezahlen, wenn ihnen dies eine Vergrößerung der Reichweite ihres Fahrzeuges ermöglichen würde. Darüber hinaus lässt sich aus den Ergebnissen ableiten, dass die Zielgruppe Funktionen und Ausstattungen als unverzichtbar ansieht, welche aktuell größtenteils als Sonderausstattung bzw. im gehobenen Bereich bereits als Serienausstattung verbaut ist. Die derzeit stark thematisierte Sitzheizung würden knapp 60 Prozent bei Bedarf flexibel hinzubuchen, das Navigationssystem sogar fast 72 Prozent. Video-Streaming (ca. 15. Prozent) und eine Caraoke-Funktion (zehn Prozent) treffen dagegen bei der Zielgruppe auf wenig Zustimmung.

Abbildung 1: FoD, die Kund:innen nachträglich hinzubuchen würden (in %)

Chancen & Herausforderungen

Das neue Geschäftsmodell funktioniert zweifellos nur dann, wenn die notwendige Hardware bereits von Anfang an im entsprechenden Fahrzeug verbaut ist. Kund:innen erwerben den Service bzw. das Produkt mit theoretisch maximalem Leistungsumfang, welcher dann jedoch per software-gestützten Eingriff durch den Hersteller künstlich beschnitten wird. Nur wenn Kund:innen nachzahlen, können bestimmte Optionen anschließend genutzt werden.

Hier besteht die Schwierigkeit und Herausforderung für die Automobilhersteller: Sie müssen den Kund:innen den Nutzen und Vorteil der neuen Strategie so klar kommunizieren, dass sie den persönlichen Mehrwert sehen und neben Komfortgewinne auch Kosteneinsparungen erreichen können. Denn aktuell haben 63 Prozent der Autokäufer von FoD o.Ä. noch nicht einmal gehört. Noch verheerender, der Großteil der befragten Autokäufer:innen befürchtet in eine Abofalle zu tappen (21 Prozent) bzw. ist zufrieden mit der aktuellen Ausstattung, sodass keine weiteren Funktionen benötigt werden würden (26,5 Prozent).

Sonst erweckt die Strategie aus Sicht der Kund:innen den Eindruck, der Automobilhersteller und -händler hält ihnen eine Leistung vor, für welche sie einen hohen Kaufpreis bzw. eine hohe Leasingrate gezahlt haben. Bei Listenpreisen von 30 – 70.000 Euro sowie Sonderausstattungen, welche teilweise nochmal dieselbe Summe ausmachen, ist es teils schwer vermittelbar, wenn Kund:innen für zusätzliche Services und Funktionen noch monatlich einen weiteren Betrag zahlen müssen. Hier besteht großes Konfliktpotenzial, wenn Kund:innen zurecht in Frage stellen, warum das Fahrzeug, welches sie gekauft haben und eine so gesehen Vollausstattung besitzen, nun noch Geld bezahlen müssen, um die Funktionen, die im Auto verbaut sind, nutzen zu können.

Zudem eröffnen sich durch die „over-the-air“-Technologie weitere Möglichkeiten und „Angriffsziele“ von Dritten, um auf legale wie illegale Art und Weise eine Freischaltung der Services und Features zu erreichen und für sich neue Geschäftsmodelle zu erschließen. Spezialisierte Firmen wie das aus Quebec, Kanada, stammende Unternehmen „Ingenext“ werben auf ihrer Webseite damit, dass sie ein Unternehmen seien, das weiß, wie „man frech und mutig spiele“. Spezialisiert auf die Entwicklung von Fahrzeugtechnologien, die auf der Wiederverwendung von Elektrofahrzeugkomponenten basiere, sowie auf die Entwicklung von Produkten für Tesla Fahrzeuge, preisen sie ihre Leistungen auch bis nach Europa an. Dabei sind sie teils 50 Prozent günstiger als die Angebote der Hersteller für Funktionen und Services.

Des weiteren erwarten Kund:innen natürlich, dass sie die Services und Funktionen, für die sie die Freischaltung beantragt und für die jeweilige Leistung bezahlt haben, auch direkt nutzen können. Dass die Technologie an einigen Stellen noch nicht ausgereift ist und viele Erfahrungsberichte, bspw. beim Porsche Taycan, von fehlerhaften Ausführungen bzw. einer fehleranfälligen Installation der Software handeln, reduziert die Akzeptanz auf Kundenseite dabei deutlich.

Argumentiert wird, dass Kosten auf Hersteller- sowie Kundenseite reduziert werden. Zwar werden deutlich mehr Ressourcen benötigt, wenn jedes Fahrzeug serienmäßig mit allen Sonderausstattungen ausgerüstet wird, vereinfacht jedoch andererseits die Produktion, da nicht jedes Fahrzeug ein individuell zusammengestelltes Unikat darstellt. Zudem sind Materialkosten ungleich geringer verglichen mit dem, was die Käufer:innen später für das Freischalten der Funktion oder des Services bezahlen – unerheblich, ob per Einmalzahlung oder in einem Abo-Modell. Kundenseitig ergibt sich auch ein Vorteil. Wenn Kund:innen früher Geld sparen wollten und auf Grund dessen das Neufahrzeug ohne eine bestimmte Sonderausstattung bestellt haben, konnte dies nachträglich nicht mehr entsprechend geändert werden. Künftig wird die Entscheidung für oder gegen eine Sonderausstattung nicht mehr vor Kauf getroffen werden müssen – und die Wahrscheinlichkeit entsprechend hoch, dass Kund:innen früher oder später erlauben, das jeweilige Feature auszuprobieren.

Vor allem diese psychologische Komponente nimmt eine elementare Rolle bei Abo-Modellen ein. Fixpreise wie 2.000 Euro für Assistenzsysteme oder 1.500 Euro Aufpreis für eine beim Mercedes EQS mögliche 10-Grad Hinterachslenkung – darauf würden viele Autokäufer:innen sehr wahrscheinlich initial verzichten. Besitzen und fahren sie jedoch das Fahrzeug, und wissen, dass sie das jeweilige Features für bspw. 20 oder 75 Euro im Monat – oder testweise kostenlos im Rahmen eines FreemiumModells – freischalten können, sinkt die innere psychologische Hemmschwelle deutlich. Zugleich steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die entsprechende Sonderausstattung bei positiver Erfahrung schlussendlich doch noch bspw. per Einmalzahlung dauerhaft freigeschaltet wird.

Nicht zu vergessen ist dabei, dass der Großteil der Neuwagen Leasingfahrzeuge darstellen, die als Dienstwagen oder als Privatleasing auf den Markt kommen. Die Restwerte dieser Leasingfahrzeuge werden neben des Kilometerstandes maßgeblich durch die gewählten Sonderausstattungen festgelegt. Können nun aber Sitzheizung, Assistenzsysteme und die Hinterachslenkung nachträglich per Klick freigeschaltet werden, ermöglicht dies dem Gebrauchtwagenmarkt ganz neue Möglichkeiten für Hersteller im Aftersales-Markt und Kund:innen durch eine deutlich größeres Angebot an passenden Gebrauchtwagen.

Was Automobilhersteller jetzt tun müssen, um das Thema FoD bei ihren Kund:innen gewinnbringend zu platzieren:

4 Erfolgsfaktoren für FoD

Es wirkt so, als gehöre FoD die Zukunft in der Automobilindustrie. Doch um als OEM langfristigen Erfolg mit FoD zu erzielen, müssen wichtige Faktoren beachtet werden. Im Folgenden haben wir die vier wichtigsten Erfolgsfaktoren für FoD zusammengestellt:

Kundengruppen & Customer Journey kennen

Wer ist die Zielgruppe, wer sind die Kund:innen für FoD und was sind sie bereit zu zahlen? Werden hauptsächlich bereits bestehende Kund:innen angesprochen oder wird auch geplant, neue Kundengruppen anzusprechen, indem ein flexibles und offenes Modell für Fahrzeugfunktionen angeboten werden soll? Welche Erkenntnisse gibt es über diese Kund:innen? An welchen Touchpoints treffen sie ihre Entscheidungen und welche zusätzlichen Touchpoints werden zukünftig relevant? All diese Fragen müssen beantwortet sein, damit FoD langfristig eine Chance in der Automobilindustrie haben. Ohne das klare Wissen über die wahren Kundenbedürfnisse der Zielgruppe sowie einer detaillierten Customer Journey Analyse sind die Chancen einer langfristigen, positiven Entwicklung der Industrie durch FoD nicht erreichbar.

Fahrzeugeigenschaften differenzieren – Flexibilität & Individualität fokussieren

OEMs und Zulieferer brauchen einen Aktionsplan für weitere Fahrzeugentwicklungen im Aftersales-Markt. Wie sind die verschiedenen Fahrzeugkategorien positioniert? Welche Ausstattungsmerkmale werden in den nächsten Jahren von Kundenseite erwartet, und welche sind von Anfang an bzw. bereits heute verfügbar? Das Ziel ist ein gut durchdachtes und strukturiertes FoD-Portfolio, das es einzelnen Kund:innen ermöglicht, ihr Auto individuell zu gestalten und mehr Freiheit zu genießen, ohne von der Vielzahl der Funktionen und Buchungsoptionen überwältigt zu werden. Daneben wünschen bzw. kaufen sich immer weniger Menschen ein eigenes Auto – sondern legen Wert auf Flexibilität. In Zukunft werden sich die Kund:innen beim Autokauf die folgende Frage stellen: „Welches Fahrzeug bietet welche Leistungen und zu welchen Kosten?“ FoD kann so zu einem Alleinstellungsmerkmal für einen OEM werden. Für OEMs ist es ein unverwechselbares strategisches Alleinstellungsmerkmal, wenn sie das beste FoD-Portfolio zu einem Preis anbieten können, der große Teile der Zielgruppe anspricht. Zeitgleich damit einhergehend aber auch Serienfahrzeuge auf dem Gebrauchtwagenmarkt individualisiert anbieten können – somit entsteht ein Milliarden Einsparpotenzial. Zudem wird die (Wieder-)Verkaufswahrscheinlichkeit von Gebrauchtwagen maximiert, da durch die individuell freischaltbaren Funktionen zukünftig nur noch Farbe, Sitzbezüge und Kilometerstand entscheiden.

Vertriebsteams qualifizieren

Vieles deutet darauf hin, dass Gewinne der OEMs künftig deutlich häufiger nicht nur durch den ursprünglichen Fahrzeugverkauf erzielt, sondern auch über diesen hinaus erhöht werden können. Das Aftermarket-Geschäft wird den Weg für neuen Einnahmequellen der OEMs ebnen – was jedoch eine Neudefinition der Vertriebsorganisation erfordert, um von den neuen Entwicklungen und Chancen zu profitieren. Traditionelle Autohäuser, die Autos verkaufen – das derzeitige Geschäftsmodell – sind nicht darauf ausgelegt, flexibel verschiedene Kundengruppen zu bedienen, ganz zu schweigen davon, den Kontakt zu ihnen zu pflegen, um neue Funktionalitäten und Dienstleistungen zu vermarkten. Damit die OEMs den Erfolg von FoD nutzen zu können, müssen sie die Autohändler mit einem eigenen Vertriebsteam für den Aftermarket unterstützen, welche qualifiziert sind. Der Aftersales muss als Betreuung der Kund:innen während der Inanspruchnahme von Mobilität begriffen werden, wobei FoD das primäre digitale Geschäftsmodell bilden werden.

Kampagnenstruktur aufsetzen, Interaktion erhöhen & überzeugende CX bieten

Bestands- und potenzielle Neukund:innen müssen über die Neuregelungen des Preis- und Aftersales-Systems umfassend und transparent informiert werden. Neben den Änderungen zum bestehenden Verfahren müssen die Vorteile klar kommuniziert werden, welche sich auf Kundenseite ergeben – sowie auch die Vorteile der OEMs, um Transparenz zu schaffen. Darüber hinaus stärkt eine erhöhte Interaktion mit den Kund:innen deren Bindung an die Marke. Dafür bedarf es einer umfassenden und langfristig ausgelegten Kampagnenstruktur, um die Zielgruppe zu erreichen und von FoD und schlussendlich der Marke zu überzeugen. Welche Kanäle sollen primär genutzt werden? Wo können OEM als auch Händler am einfachsten mit der Zielgruppe kommunizieren? Welche Formate sollen genutzt werden? Wie soll Online- und Offline-Welt miteinander verschmelzen, um eine überzeugende Customer Experience bieten zu können, die sich an den Best Practices anderer Branchen orientiert? Mit erweiterten und neuen Funktionalitäten wie eine stärkere Motorleistung, einer Individualisierung des Sounds bei Elektrofahrzeugen oder einer längeren Reichweite stehen Kund:innen ständig in einem engen Kontakt mit „ihrer“ Marke, und zwar positiv. Diese Vielzahl an Touchpoints ergeben Chancen, welche es zu nutzen gilt, als OEM und Händler – im Gegensatz zu den früher vor allem auf Reparaturen beschränkten Kontakten.

FAZIT

Langfristig bereiten sich die Automobilhersteller mit neuen Aftersales-Modellen und FoD auf eine Zukunft vor, in der unsere FahrzeugeW autonom fahren sollen. Sitzen wir schließlich nur noch passiv in den Fahrzeugen, ermöglicht dies den Herstellern völlig neue Spielräume im Bereich digitaler Apps sowie Dienstleistungen.

Somit kann man die derzeit auf dem Markt befindlichen und angebotenen FoD wohl nur als Startpunkt ansehen, welche in den folgenden Jahren mit wirklichen Innovationen ergänzt und in den Schatten gestellt werden sollten. Um hier auf der Höhe der Zeit und vorne bei den Innovatoren der Branche dabei zu sein, müssen die Automobilhersteller die Transformation nutzen – jedoch immer mit Blick auf die Kund:innen und deren Bedürfnisse.

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Dr. Laura Gruber
Dr. Laura Gruber
Associate Partnerin
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